„Ein gutes Buch zur richtigen Zeit“
Im Umgang mit traumatischen Störungen und historischen oder kollektiven Traumata, die mit den Erfahrungen der beiden Weltkriege im Zusammenhang stehen, bewegt sich der aktuelle öffentliche Diskurs eher im unauffällig Trüben, um nicht zusagen im kommunikativen Niemandsland. Es steht daher nicht allzu gut um das kulturelle Gedächtnis in diesen Tagen. Damit einher geht der Verlust des Vermögens großer Teile der Bevölkerung, entschwundene, tote, also abwesende Personen, die als Vertreter einer Generation nicht im Mittelpunkt der historischen Zeitläufte oder Ereignisse standen, abseits des Privaten und der Unterhaltungsindustrie, durch eine vielseitige Erinnerungskultur zu anwesenden zu machen. Die Veränderungen im Bestattungswesen sind ein guter Indikator dafür.
Der persönliche Umgang mit Kriegstraumata in der eigenen Familie ist daher auch ein weitgehend unbestelltes Feld, gerade in der Enkel- und Urenkelgeneration. Umso mehr ist es deshalb zu begrüßen, dass sich der Filmemacher Sebastian Heinzel diesem Thema in einem sehr persönlichen Bezugsfeld widmet. Sein Dokumentarfilm »Der Krieg in mir – Welche Spuren haben die Erfahrungen der Kriegsgeneration in uns hinterlassen?« und das dazu bei Kamphausen erschienene gleichnamige Buch nähern sich ganz vorsichtig dieser Frage und gehen dabei sehr vielschichtig vor. Dabei reicht der Bogen seiner Recherchen von der Epigenik über verschiedene Ansätze der Traumatherapie bis hin zu den Begegnungen mit den Überlebenden in Weißrussland (dem Einsatzort seines Großvaters im Zweiten Weltkrieg) und den Menschen, die heute dort leben. Trotz aller verständlichen (generationsbezogenen) Verbitterungen, geschieht die Aufarbeitung behutsam ohne anklagenden Ton und bietet Raum für Interpretationen. Ein bisschen Stille und Demut, statt Empörung und Vorhaltungen, um den eigenen Schatten zu begegnen und mit ihnen leben zu können. Dieser Ansatz ist eigentlich klassisch humanistisch und das ist heute in diesem Kontext selten.