„Ich möchte Menschen inspirieren, sich mit ihrer Familiengeschichte zu beschäftigen.“

In der Auseinandersetzung mit seinen Großeltern ist sich Regisseur Sebastian Heinzel selbst näher gekommen und hat gelernt, dass Versöhnung auch über Generationen hinweg möglich und notwendig ist. Im Interview erklärt er seine persönliche Motivation für DER KRIEG IN MIR.

Was war dein Impuls für diesen Film?

Seit vielen Jahren träume ich, dass ich als Soldat im Zweiten Weltkrieg in Russland kämpfe. Ich habe mich gefragt: Warum träume ich sowas? Außerdem fahre ich als Filmemacher schon seit mehr als 17 Jahren nach Osteuropa  und habe mich gefragt: Was zieht mich da eigentlich immer wieder hin?

Eine Freundin hat mir die Bücher von Sabine Bode empfohlen. Sie schreibt über die Generation der Kriegsenkel. Die Lektüre hat mir gezeigt, dass ich nicht der einzige bin, der vom Krieg träumt. Das ist ein verbreitetes Phänomen in meiner Generation. Ich habe mir gedacht: Vielleicht hängen meine Kriegsträume mit der Geschichte meiner Großeltern zusammen?

Hat dich die Arbeit an diesem Film persönlich weitergebracht?

Ich habe gelernt, wie wahnsinnig schwer es ist, jetzt – mehr als 70 Jahre nach Kriegsende – noch Spuren zur eigenen Familiengeschichte zu finden. Die meisten Zeitzeugen sind gestorben, meine Großväter kann ich nicht mehr fragen, und in meiner Verwandtschaft weiß kaum jemand etwas.

Aber mit Hilfe einer Historikerin konnte ich in Wehrmachtsarchiven mehr über die Kriegsgeschichte meines Großvaters herausfinden. Wir haben sogar ein Fotoalbum seiner Einheit gefunden. Es kam heraus, dass ich – ohne dass ich es wusste – an den selben Orten in Weißrussland war wie mein Großvater. An diese Orte bin ich später noch einmal mit meinem Vater gereist. Dadurch, dass wir gemeinsam dort waren und uns auch mit unangenehmen Fragen auseinander gesetzt haben, sind mein Vater und ich uns nähergekommen.

Sebastian Heinzel
Welche Botschaft möchtest du mit deinem Film vermitteln?

Ich will Menschen inspirieren, sich mit ihrer Familiengeschichte zu beschäftigen. Ich glaube, es gibt in vielen Familien Themen aus der Zeit des Krieges, über die nicht gesprochen wird. Doch es gibt bisher noch wenige, die sich das anschauen. Dabei ist das die besondere Herausforderung an meine Generation: sich mit den unbewussten Verhaltensmustern auseinanderzusetzen, um sie nicht an unsere Kinder weiterzugeben.

Wie können wir das Wissen nutzen, dass wir mit unserem Handeln auch die nachfolgenden Generationen prägen? Ich blicke seit der Arbeit an dieser Thematik noch bewusster auf die vielen unguten politischen Entwicklungen in der Welt, gerade auch zwischen dem Westen und Russland. 

Ich möchte helfen, Brücken zwischen den Menschen zu bauen. Im Osten wie im Westen leben Menschen, die stark durch Kriege geprägt sind, auch noch in unserer Generation. Wir sollten uns gegenseitig unsere Geschichten erzählen. Darin liegt großes Potenzial für Heilung und Versöhnung.


Sebastian Heinzel, geboren 1979 in Kassel, ist Autor, Regisseur und Filmproduzent.

Er startet seine Karriere als Journalist. Später entdeckt er seine Leidenschaft für den Dokumentarfilm. Bereits vor seinem Regie-Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg realisiert er die Kino-Dokumentarflme b24 und 89 MILLIMETER, die international vielfach ausgezeichnet werden und eine Kinoauswertung erfahren.

Im Jahr 2010 gründet Sebastian Heinzel seine eigene Produktionsfirma HEINZELFILM. Er arbeitet als Dozent an Hochschulen im In- und Ausland und leitet Workshops und Seminare.